Als ich hörte, Biber Herrmann startet eine neue Workshop-Reihe, die dem Thema „Percussive Blues Guitar“ gewidmet ist, war ich ziemlich skeptisch. Dann schaute ich mir ein paar Videos mit Biber auf YouTube. Meine Skepsis war dann schon größten Teils weg, aber noch nicht vollständig. Trotzdem entschied ich mich an Bibers Workshop in Böblingen am Wochenende, 20.-22. April teilzunehmen. Diese Skepsis schnellte nochmals in die Höhe, als Biber zu Beginn ankündigte, nur ein einziges Stück mit uns, 17 Teilnehmer, bearbeiten zu wollen. Was? Ein Stück drei Tage lang, ununterbrochen zu beackern? Der Meister behielt doch Recht: Dies war eine sehr intensive Auseinandersetzung mit einer komplexen Spieltechnik an der akustischen Gitarre anhand des sehr dankbaren Beispiels eines Blues-Klassikers – Good Morning Blues von Huddie Leadbetter (genannt auch Leadbelly). Wir wurden nicht einfach zugeschüttet mit unzähligen Tabulaturblättern von unzähligen, teilweise recht anspruchsvollen Gitarrenstücken. Statt dessen durften wir in die Tiefe eines immer komplexer werdenden Arrangements. Das wir am Ende – und dies ist das Beste – alle, ohne Ausnahme, mehr oder minder korrekt spielen konnten. Chapeau, mon cher Biber!
Solo im Café Room/14. April 2018
Das Konzert im Café Room in Konstanz sollte zum Abschluss und Krönung unserer gemeinsamen Delta-`Fortbildung´ werden. Leider hat sich Normann kurzfristig anders entschieden und hat – zu meinem Bedauern – nach vieljähriger Zusammenarbeit die Band verlassen.
So musste ich an diesem Samstagabend dem Publikum zum ersten Mal alleine Paroli bieten. Die Stimmung war aber sehr gut, die Location hat sich als ausgesprochen Künstler-freundlich und akustisch ganz akzeptabel erwiesen.
Im ersten Set, das über eine Stunde dauerte, habe ich „alles“ gegeben: viele Stücke frisch „aus der Schublade“ entnommen und überhaupt Premieren, darunter viele Country-Blues-Songs aber auch ein Soul-Klassiker wie „People Get Ready“ von Curtis Mayfield sowie der Evergreen „Frankie and Johnny“ – auf dem neuen Instrument, der Banjolele. Musikalisch verstärkten meine Bemühungen im zweiten Set zwei alte Bekannte, die schon immer mit Juke Joint sympathisierten: Andreas und Michael. Euch Beiden gilt mein besonderer Dank!
Outro: Nashville, 6. April
Der Broadway in Nashville ist in seiner Funktion ähnlich der Beale Street in Memphis, jedoch größer – entschieden größer. Hierher kommen junge Amerikaner, um Abschied von ihrer Jugend zu feiern, in Form zum Beispiel von Junggesellinenabend. Der Broadway ist auf beiden Straßenseiten mit unzähligen Lokalen geschmückt. Aus diesen Lokalen, ähnlich den Boxen im Pferdestall, dröhnt ununterbrochen Live-Musik in verschiedensten Stilen und Facetten: von Country bis zu Metal. Und immer wieder fahren lustige Umzugswagen vorbei, vollgepfercht mit stark angeheiterten Musikfans, die brüllend und grölend ihre Lebensfreude verkünden.
Ausgerechnet in Nashville, der Hauptstadt der Country- und Bluegrassmusik, durften wir ein super Blues-Konzert erleben. Nämlich im „3rd and Lindsley“ – einem traditionsreichen Musikklub (mit bis zu 1500 Plätzen), am Rande von Nashvillles Downtown gelegen. An diesem Abend gastierte dort ein – man kann wohl so sagen – Stammmusiker: Jack Pearson, ein vielseitiger Gitarrist und ein sehr guter Sänger, der schon mit Duane Allman unterwegs war und seit Jahren schon mit festem Sitz in Nashville zu Hause ist. Jack brachte 8 (acht!) Gitarren mit sich und jedes dieser Instrumente kam zum Einsatz. Zuerst mit einem akustischen Mini-Set solo, und dann zusammen mit seiner Band (Hammond-Orgel + Drums) hat Jack eine souveräne und gut durchkomponierte Show hingelegt. Er zeigte vor allem, dass er in seinem Metier – vom Delta Blues bis zum hart angehauchten Bluesrock praktisch alles kann – und zwar alles auf einem Spitzenniveau; dazu noch absolut ohne Starallüren. Ein toller Musiker, sehr empfehlenswert!
Coda: Memphis TN, 5. April
Dieses Bild ist ein gutes Resümee für unsere ‚Pilgerreise‘. Gemacht in einer kultigen Kneipe (nicht jedoch in der Beale Street!) von ein paar netten jungen Einheimischen, die wir an diesem Abend kennen gelernt haben, dazu noch nach einem leckeren Barbecue-Essen.
Memphis TN, 4./5. April
Die Beale Street, einst Puls der synkopierten Musik, entpuppte sich vor uns als eine bodenlose Enttäuschung: als ein 250 Meter langes, von der Polizei überwachtes, mit allerhand Ramschware vollgestopftes, und mit dröhnender Berieselung ‚verziertes‘ sowie auf Touristen-Abzocke absehendes Gehege. Brr!
Weg von der Beale Street gelangten wir zum Großen Fluss und machten eine ausführliche Wanderung, einschließlich der Besteigung der gigantischen Brücke, die die beiden Bundesstaaten, Tennessee und Arkansas, verbindet. Und es war merklich, wie die Nähe zum Großen Fluss uns beiden guttut. Das Wandern entlang der Flüsse hat etwas Mystisches an sich – vor allem für einen Country-Blueser. Zumal der Mississippi der drittbreiteste Fluss der Welt ist.
The Road to Memphis, 4. April
Der Mississippi Blues Trail ist hervorragend vorbereitet – und zwar sowohl von der historischen bzw. musikologischen als auch von der praktischen, turistischen Seite. An entscheidenen Stellen gibt es immer entsprechende Hinweise, Schildern, ausführliche Infotafeln, schöne bunte Tableaus, Graffitti etc. In den Großstädten aber auch auch in kleinsten Kaffen; natürlich auch an den Straßenkreuzungen und Autobahnen. Da geben sich Kommunen, städtische Kulturmanagements, aber auch Vereine ersichtlich viel Mühe. Die Sache hat jedoch einen negativen Aspekt: Manchmal gewinnt die finanzielle Sicht die Oberhand und man ist bemüht, die Geldbörsen der Bluesfreunde ein wenig zu erleichtern. Da kostet schnell ein kleiner Aufkleber 5$, der Eintritt in ein Mini-‚Museum‘ 10 grüne Scheine und ein thematisches T-Shirt sogar 27$.
Clarksdale, 2./3. April
So klingt eine Stella – Gitarre, die schon Robert Johnson, Charley Patton, Blind Blake und viele andere schon gespielt haben. Nicht zuletzt, weil sie immer “ im niedrigen Preissegment“ lag und trotzdem sehr laut, bluesy und ausgewogen klang. Dieses Modell stammt zwar schon aus den 60er Jahren, als Stella von der Firma Harmony aufgekauft wurde, liegt es aber gut in der Hand und fühlt sich sehr komfortabel an. Der Händler von Bluestown Music wollte lediglich 219$, ein Deal kam jedoch letzten Endes nicht zustande. In Deutschland kann man im Übrigen solche gebrauchten Gitarren auch bestellen – dazu noch zum vergleichbaren Preis.
Clarksdale preist sich gerne als die “ Geburtsstätte des Blues“. Auch wenn es stimmen mag, liegt erstens die Geburt in der weiten Vergangenheit zurück und zweitens wollen die Besucher doch nicht in Massen hineinströmen. Man strengt sich schon an und organisiert mehrere Blues-Festivals im Jahr, gründete 1979 das Mississippi Delta Museum und versucht, diverse Gigs und Konzerte und andere kulturelle Aktivitäten zu koordinieren, muss aber einsehen, dass Blues alleine das Überleben nicht sichert – auch wenn er von solchen Passionaten wie Buchautor und Ladenbesitzer, Roger Stolle getragen wird. Hier auf dem Bild oben ist Normann in seinem Laden Cat Ahead zu sehen.
Im Museum haben wir mehrere Stunden (!) verbracht – es lohnt sich auf jeden Fall. Es werden dort mehrere Exponate gezeigt, darunter ein solides Stück der Hütte (cabin), in der Muddy Waters als Kind und Jugendlicher gehaust hatte. Für mich persönlich das wichtigste Museum in der gesamten Region.
Hopson Commissary, 2. April
An berühmt-berüchtigsten Blues-Crossroads aller Zeiten vorbei (Highway 61 x Highway 49; Robert Johnson sollte hier dem Teufel seine Seele verkauft haben), fahren wir heute Abend zu einem Konzert ein wenig abseits von Clarksdale. Ehemalige Plantage Hopson Commissary beherbergt heutzutage – als Kneipe mit kulturellem Anspruch – alle möglichen Events, in erster Linie Live-Acts (immer montags) darunter viele Blues-Konzerte.
So durften wir dem Auftritt eines jungen sympathischen Singer/Songwriter aus Nashville, Nick Nace, beiwohnen. Obwohl beide eingefleischte Blueser, hat es uns ziemlich gefallen, zumal der Eintritt und der dazu gehörende Eintopf für die Gäste gratis waren;-) Auch das Ambiente war sehr ansprechend – einfach verrückt und völlig an „alte gute Zeiten“ erinnernd. Kein Wunder, dass viele musikalisch angehauchte Musikliebhaber in den benachbarten, jedoch leicht adaptierten Schuppen (shacks) wohl ihren Urlaub verbringen.
Po‘ Monkey’s lounge / Merigold MS, 1. April
Endgültig im Herzen des Delta gelandet! Heute unterwegs von Cleveland nach Clarksdale, mit einem kleinen Abstecher zu einem der letzten juke joints auf dem Lande: Po‘ Monkey’s, etwas abseits von Merigold.
Im Mississippi-Delta waren die juke joints Ein-Raum-Hütten, gebaut oft aus Wellenblech und Sperrholz, mit Hilfe noch von verschiedenen Nägeln, Tackernadeln und Drähten.
Diese Hütte hier wurde 1961 von Willie „Po‘ Monkey“ Seaberry selbst gebaut und war jahrzehntelang eine wichtige Anlaufstelle zuerst für die örtlichen Farmer, dann für ganze Generationen von Studenten der regionalen Universität in Cleveland. Seitdem Seaberry vor zwei Jahren verstarb, finden hier Gigs nur donnerstags statt. Angekommen an einem Sonntag, haben wir einfach Pech gehabt.